Presse Archiv : Münchner Abendzeitung, 25. 4. 2001


Das Münchner Klangmuseum im Lenbachbaus feiert seinen fünften Geburtstag.
Der Sound-Archivar Kalle Laar lädt morgen zu einer spannenden Reise ins Reich der ausgestorben Geräusche

Die Spezies der Schallplatte ist fast ausgerottet. Der Klang-Dinosaurier ist seinem natürlichen Feind, der CD, wehrlos ausgeliefert. Doch Kalle Laar hat ein Biotop für aussterbende Tonträger geschaffen. Der Münchner DJ, Musiker und Komponist sammelt rare Exemplare und konserviert sie für sein "Temporäres Klangmuseum". Einmal im Monat können Vinyl-Maniacs ins Lenbachhaus zur ?Nacht der verlorenen Musik" pilgern und ausschweifenden Sound- Collagen lauschen. Am 26. April feiert das Klangmuseum fünfjähriges Bestehen, unter Eingeweihten haben Laars Audio-Reisen durch Raum und Zeit Kult-Status. Dabei will der Münchner mit den lettischen Vorfahren weder auf der "Nostalgiewelle schwimmen, noch in die Party-Falle tappen".

Der Historiker ist kein "Sammler, der haben will", sondern ein Klang-Forscher, der mit seinen Exponaten arbeitet. Der DJ wird zum Musik-Ethnologen, die Vinyl-Scheibe zum Zeit-Dokument.
Jede Performance steht unter einem Motto, der Blick zurück offenbart überbordende Klang-Fantasie: "Welcome to Babylon, Sex Drugs & Crime on Vinyl oder Der Ball ist rund". Da jault die Hammond Orgel mit der japanischen Bambusharfe im Duett. Laars akustische Humor spiegelt sich allerdings kaum in dessen stets ernster Miene wider. Und die Musik ist nur ein Bruchteil der Klänge, die der Geräusch-Archivar zusammenschneidet. "Ich liebe Sprache und Stimmen, jede hat ihre eigene Melodik". Radiophone Sternstunden sind in Laars Archiv, wie der legendäre Kommentar des österreichischen Sportreporters Edi Finger, der 1978 die "Schmach von Cordoba" der Deutschen in der Vorrunde der Fussball-WM plastisch vor Ohren führte. Laar bastelte Fingers "Tooor"-Brüller mit Elektro-Drums zusammen, bis das Stadionraunen in einem soften Klang-Teppich umtergeht.

Kalle Laar ist ein Tausendsassa in Sachen Musik, der immer wieder neue Töne anschlägt. Mit Foto-Künstler Michael Wesely schuf er "Picture Discs": Städteporträts in Klang und Bild. Zwei Scheiben Los Angeles sind fertig. 20 Minuten Geräuschkulisse verarbeitet er zur Sound Collage. 20 Minuten sind auch Weselys in Vinyl gepresste Fotos belichtet. Mit Kollege Zeitblom unterlegte Laar die Hörspielfassung von Metropolis mit metallischem Zirpen, gerade arbeiten beide in Mannheim für Jens Daniel Herzogs Auführung der "Arabischen Nacht". Laar liefert exotische Klänge - Verfremdung garantiert.
Roberta De Righi


In Klangwolken: Die Soundperformances des Münchner DJ und Musikers Kalle Laar sind mehr als Schall und Rauch
Foto: Michael Wesely